Bemerkenswerte Textausschnitte aus der (oft älteren) Fachliteratur

Eine Sammlung bemerkenswerter/lustiger/seltsamer Textausschnitte aus der (oft älteren) Fachliteratur, und Anekdoten aus wissenschaftlichen Biographien.

Wird ab und zu erweitert – begonnen ca 2004.

1. Claisens Dank an die Mitarbeiter

 

Claisen und Eisleb, Liebigs Annalen 1913, 401, 21 (S. 102, Fussnote 1)

[Anmerkung: Da die angesprochenen Arbeiten zur Allylierung den regelmässigen Umgang mit dem toxischen und mutagenen Allylbromid erforderten und in schlecht ventilierten Laboratorien stattfanden, liegt es nicht fern, einen Zusammenhang zwischen den Arbeiten von Dr. Link und seiner Erkrankung herzustellen.]

2. Gattermanns Ratschläge zum Arbeiten mit Blausäure - Eine Sicherheitsmassnahme

Auch mässig begabte Praktikanten arbeiten sorgfältig

3. Frustrierende Analysen von Zuckern

4. Ein Ratschlag von R. Fittig

R. Fittig, J. Velguth, Liebigs Annalen 1868, 72, 5 ff.

5. Arbeit mit Fluorwasserstoff : « ... sonst ohne weitere nachtheilige Folgen. »

R. Schmidt, H. von Gehren, Journal für praktische Chemie 1870, 1, 394 ff.

6. Ostwalds Messungen der Rohrzucker-Inversion : Was nicht im Lehrbuch steht

Wilh. Ostwald, Journal für praktische Chemie 1885, 31, 307–317.

7. Eine langsame Reaktion

Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 1893, 26, Referate, S. 14.

8. Gefahren der Chemie

Hermann Kolbe, Das chemische Laboratorium der Universität Leipzig und die seit 1866 darin ausgeführten chemischen Untersuchungen, Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig 1872, S. XXXIX.

9. Wie Scheele das Ende einer Reaktion feststellte - und trotz idealer Voraussetzungen eine Entdeckung verpasste

August Kekulé, Lehrbuch der Organischen Chemie, Erlangen 1867, S. 311.

10. Woraus die besten Filter bestehen

Hans Eduard Fierz, Grundlegende Operationen der Farbenchemie, Druck und Verlag Schulthess & Co., Zürich 1920, S. 19.

11. Widrige Umstände lassen dieses Verfahren scheitern

Hans Eduard Fierz, Grundlegende Operationen der Farbenchemie, Druck und Verlag Schulthess & Co., Zürich 1920, S. 19.

12. Eine ominöse Fussnote

A. Fitz, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1878, 11, S. 48, Fussnote 3; https://doi.org/10.1002/cber.18780110111

13. Eine unerfüllte Vorhersage Kolbes

1872 

“Man hat sich mehrfach darüber gewundert, dass die chemischen Experimentalvorlesungen [...] trotz des interessanten Gegenstandes, von den Laien, z. B. Theologen, Philologen, Juristen, ganz unbeachtet bleiben. Es ist das doppelt auffallend gerade in gegenwärtiger Zeit, wo die Naturwissenschaften überhaupt mehr und mehr an Macht und Geltung gewinnen. [...] Es wird gewiss nicht mehr ganz lange währen, dass man zu der Erkenntniss gelangt, dass naturwissenschaftliche Studien zur allgemeinen Bildung unerlässlich [...] sind.

Hermann Kolbe, Das chemische Laboratorium der Universität Leipzig und die seit 1866 darin ausgeführten chemischen Untersuchungen, Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig 1872, S. XXXVIII.

1999

"Die naturwissenschaftlichen Kenntnisse werden zwar in der Schule gelehrt; sie tragen auch einiges zum Verständnis der Natur, aber wenig zum Verständnis der Kultur bei. Deshalb gilt man nach wie vor als unmöglich, wenn man nicht weiß, wer Rembrandt war. Wenn man aber keinen Schimmer hat, worum es im zweiten thermodynamischen Hauptsatz geht oder wie es um das Verhältnis der schwachen und starken Wechselwirkung des Elektromagnetismus und der Schwerkraft bestellt ist, oder was ein Quark ist, obwohl die Bezeichnung aus einem Roman von Joyce stammt, dann wird niemand daraus auf mangelnde Bildung schließen. So bedauerlich es manchem erscheinen mag: Naturwissenschaftliche Kenntnisse müssen zwar nicht versteckt werden, aber zur Bildung gehören sie nicht."

Dietrich Schwanitz, Bildung - Alles, was man wissen muss, Eichborn Verlag, 1999, S. 482.

2002

Das Sinnloseste, was ich je gelernt habe, war der Zitronensäurezyklus. Ich weiß nicht, was das ist!

Dr. Guido Westerwelle im ARD Morgenmagazin, 4. Juli 2002.

[Zitat-Nachweis: K. Roth, Chem. Unserer Zeit 2005, 39, 348–354; doi: 10.1002/ciuz.200590067.]

 

14. Das Forschungsziel: Nicht visionär, aber klar definiert

Eine genauere Untersuchung des Productes stand jedoch bisher noch aus, und so wurde mir der Auftrag, diese Lücke auszufüllen.

Ernst Fussenegger: Ueber Chinotoxin, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1900, 34, 3227.

15. Verpflichtender Geruch

A. C. Leyer und Köller, "Zersetzungsproducte der Federn, Igelstacheln, Haare, des Globulins, Hämatins und der Flügeldecken der Maikäfer mit verdünnter Schwefelsäure", Annalen der Chemie und Pharmacie 1852, 83, 332-338.

16. Claisen löst ein Problem

R. Anschütz, Chem. Ber. 1936, 64A, 97.

17. Claisen ist noch ein wesentliches Detail eingefallen

Anmerkung zum folgenden Text: Claisen reagiert hier auf Vorwürfe anderer Forscher, die behaupten, dass seine früher mitgeteilte Acetalisierungsmethode mit Orthoester nicht reproduzierbar sei. Claisen hatte in seinen bisherigen Publikationen absichtlich verschwiegen, dass die Zugabe eines Katalysators erforderlich ist, um sich das Arbeitsgebiet noch eine Weile zu sichern... !

Die Zitierte Literaturstelle 6 von Stollé gibt auch keine Einzelheiten an; es wird dort lediglich bemerkt, dass das Claisen’sche Verfahren funktioniere, und Claisen wird für „freundlichst ertheilten Rathschlag“ verdankt, ohne auf den entscheidenden Inhalt dieses Ratschlags einzugehen.

[L. Claisen, Chem. Ber. 1907, 40, 3903.] 

18. Wir bedauern die schlechte Selektivität der Reaktion...

We were sorry to find that practically no stereoselectivity was observed for the L-proline catalysed additions of different thiols to neither chalcone or cyclohexene-1-one, although this is in accord with the results of Agami.

P. Kotrusz, S. Toma, Molecules 2006, 11, 197–205.

19. Warnung an den Leser

L. R. Snyder, J. Chromatogr. 1971, 63, 15–44.

20. Wir geben keine Garantie

„Reduction of PhP(Py)Cl with sodium is capricious and may take from a few hours to several weeks in refluxing THF; addition of a small amount of 4,4’-di-tert-butylbiphenyl sometimes helps.“

P. H. M. Budzelaar, J. H. G. Frijns, A. G. Orpen, Organometallics 1990, 9, 1222–1227.

21. Betrachtungen über Regenschirme (und Wissenschafter)

Wilhelm Ostwald, Lebenslinien – Eine Selbstbiographie, Band II, Klasing & Co., Berling, 1927; S. 207.

22. Kritik am methodischen Vorgehen des Herrn Schweinsberg

"Curiosa:

Als ein Muster für Pharmaceuten, welche Neigung zu Untersuchungen besitzen, ohne zu wissen, welchen Gegenstand sie dazu wählen sollen, will ich den kleinen Beitrag zur näheren Kenntniss des Chlorkalks von Schweinsberg hier anführen (Buchner’s Repert. XXXVIII. p. 281).

Schweinsberg wollte über einen Gegenstand schreiben, wusste aber für seine Aufmerksamkeit keinen andern als folgenden: “Bei Gelegenheit des Aufräumens eines Behälters, der schadhaft gewordene gläserne Retorten enthielt, fand sich ein Ballon vor, in welchem vor länger als drei Jahren Chlorkalk bereitet worden war, und der noch mit einer geringen, an den Wandungen hängenden Menge Chlorkalk versehen war u. s. w.”

Diese anhängende Substanz gab ihm nun Gelegenheit 13, sage dreizehn, gedruckte Seiten mit Pompholix zu überziehen, und bewundrungswürdige Schlüsse daraus zu folgern. Zuletzt sagt er doch, dass aus seinen Beobachtungen weder für die eine noch für die andere Ansicht etwas gefolgert werden könne, da er aber nun einmal die Versuche angestellt habe, – so wollte er es sich auch bezahlen lassen. Wie leicht ist es denkbar, dass in den Behälter von zerbrochenem Glasgeräthe nicht Vögel oder Mäuse Zugang gehabt haben, und dass die Produkte ihres Magens sich zu dem Chlorkalk addirt haben der noch in dem Kolben hing. Diess ist ein bescheidener Zweifel, den wir Herrn Schweinsberg zur Berücksichtigung vorlegen. Vielleicht ist der freie Sauerstoff, den Herr Schweinsberg bewiesen hat, aber nicht nachweisen konnte, von diesen Substanzen in Beschlag genommen worden."

L. L., Annalen der Pharmacie 1832, 1, 241.

Anmerkung: L. = Justus Liebig; Pompholix = Pompholyx, ein Hautausschlag. Dr. Schweinsberg musste schon zuvor Kritik von Liebig über sich ergehen lassen, siehe: Annalen der Pharmacie 1832, 1, 88 unter dem Titel: „Muster eines chemischen Styls oder Rüge hinsichtlich der Einwirkung der Salpetersäure auf essigsaures Silber, nach den Versuchen von Dr. Schweinsberg.“

23. "Beobachtungen von Raupen, die lebend aus dem Magen und den Gedärmen eines Mannes ausgeführt wurden;

von Dr. M. B. Gaspard.

... Ein beiläufig 30 Jahre alter Bauer, von gallig-lymphatischem Temperament, lebte wie Leute seiner Art, und hatte den Tag vorher weder Speck noch Fett, noch Butter oder ranzigen Käse gegessen.

... Am 16. d. M. warf er in einem Paroxismus durch von selbst eingetretenes Erbrechen nicht nur viel Galle und Haarwürmer, sondern auch zwei lebende Raupen aus; sie waren 2 ½ Zoll lang, ungefähr so dick wie ein kleiner Finger, aschgrau, mit zwei Reihen Füsen und einem schwarzen Kopfe. Man konnte mir nicht sagen, ob sie auch Haarbüschel gehabt hätten. Nachdem der Kranke und seine Angehörigen diese Insekten besehen hatten, gab man nicht weiter auf sie acht und sie wurden von den in der Stube herumlaufenden Hühnern gefressen. Den anderen Tag aber ging bei dem Gebrauche eines Emetico-catharticum mit einem galligen Stuhlgange eine dritte Raupe ab, grösser und lebhafter als die vorigen und von gelber Farbe; sie wurde von allen Nachbarn betrachtet, dann in Papier gewickelt, um sie mir am folgenden Tage zu zeigen; in der Nacht aber kroch sie fort und hinterliess nur einige schwarze Excremente, was alles war, was man mir noch zum Beweis der Wahrheit aufzeigen konnte. ..."

[Es folgt eine Literaturübersicht der Fällen „ausgeschiedener“ Raupen und Würmer, die bis ins Jahr 1581 zurück reicht.]

Dr. M. B. Gaspard, Annalen der Pharmacie 1832, 3, 113.

24. Heitere Experimente mit Blausäure und Asseln

Anmerkung: Auf S. 358 beschrieb ein Dr. Reich aus Magdeburg Experimente unter dem Titel „Bemerkung über die Wirkung einiger Gifte auf Igel“, worin die Wirkung von Blausäure, Quecksilbersublimat und Arsenik „auf das Leben des Igels“ mitgeteilt wurden. Ein Fazit: „Dem Igel lässt sich schwer etwas beibringen...“.

Als Ergänzung zu diesem Bericht folgen dann auf S. 359f die obigen Beobachtungen: "Ueber die Einwirkung der Blausäure auf Asseln (Isopoda)."

Br., Annalen der Pharmacie 1832, 1, 359/360. (Br. = Rudolph Brandes, Mitherausgeber der Zeitschrift)

25. Üble Gerüche machen sich breit

Ausschnitte von: E. Baumann und E. Fromm: Ueber Thioderivate der Ketone. Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1889, 22, 2592–2599:

„ ... unsere Versuche in dieser Richtung scheiterten aber an dem Umstande, dass jener Stoff einen fürchterlichen Geruch besitzt, welcher in erstaunlich kurzer Zeit sich verbreitet und ganze Stadttheile verpestet. ... Die Intensität des Geruches dieser Substanz übertrifft nach unseren Wahrnehmungen Alles, was in dieser Hinsicht von stark riechenden Stoffen bekannt geworden ist. Derselbe macht sich nicht sowohl innerhalb des Laboratoriums als ausserhalb desselben bis auf weite Entfernungen unangenehm bemerkbar. Wer eigene Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht hat, der wird leicht geneigt sein, Stoffe wie das Aethylmercaptan, das Aethylenmercaptan oder leicht flüchtige Sulfide im Vergleich mit dem geschwefelten Aceton als Körper von schwachem Geruch zu bezeichnen. ...

... Als einmal das frisch bereitete Reactionsproduct ... bei sorgfältiger Kühlung mit Wasserdampf destillirt wurde, verbreitete sich der Geruch in kurzer Zeit bis auf Entfernungen von 3/4 Kilometer bis in weit abgelegene Stadttheile. Bewohner der dem Laboratorium benachbarten Strassen beschwerten sich darüber, dass die riechende Substanz bei manchen Personen Ohnmachtsanfälle, Uebelkeit und Erbrechen bewirkt hatte.

Als ein anderes Mal eine Quantität von 30 g des schon einmal destillirten Rohproductes im Vacuum destillirt wurden, geriethen die Bewohner der angrenzenden Strassen in dieselbe Aufregung wie im ersterwähnten Falle. ... Hierbei verdient bemerkt zu werden, dass der Geruch im Laboratorium nicht belästigender war, als wenn man mit bekannten Sulfiden und Mercaptanen arbeitet. ... Da indessen jedes Experiment mit der fraglichen Substanz einen Sturm von Klagen gegen das Laboratorium entfesselte, haben wir die Versuche, das Thioaceton selbst zu gewinnen, schon vor längerer Zeit aufgegeben. ...

... Die schnelle und weite Verbreitung des Geruches unserer Substanz war für uns besonders befremdend auch deshalb, weil bei Arbeiten mit grossen Mengen von Aethylenmercaptan und verschiedenen anderen Mercaptanen, welche in den Jahren 1886 und 1887 im hiesigen Laboratorium und nicht immer mit besonderer Vorsicht ausgeführt worden sind, seitens der Nachbarschaft nie wegen des Geruches geklagt worden ist."

Anmerkungen zu den "üblen Gerüchen"

Anmerkung 1: Die obigen Versuche wurden im Universitätslaboratorium zu Freiburg i/B. ausgeführt.

Anmerkung 2: Diese Geschehnisse sind vor einigen Jahren mit dem Erscheinen des Lehrbuchs "Organic Chemistry" von J. Clayden et al breiter bekannt geworden. In dem einleitenden Kapitel des Lehrbuchs beschreiben die Autoren Eigenschaften organischer Verbindungen und gehen auch auf extrem übelriechende Verbindungen ein:

"But perhaps the worst aroma was that which caused the evacuation of the city of Freiburg in 1889. Attempts to make thioacetone by the cracking of trithioacetone gave rise to ‘an offensive smell which spread rapidly over a great area of the town causing fainting, vomiting, and a panic evacuation ... the laboratory work was abandoned’."

Das Zitat scheint die tatsächlichen Geschehnisse (gemessen am obigen deutschen Text) etwas zu dramatisieren. Auf eine "Evakuierung" der Stadt Freiburg im Breisgau wegen eines üblen Geruchs müssten sich in zeitgenössischen Quellen zahlreiche Hinweise finden lassen. Ich habe auf der Suche nach einem solchen Ereignis viele Ausgaben der "Freiburger Zeitung" durchsucht und bin lediglich auf folgende Meldung (vom 8. Mai 1889) gestossen:

Anmerkung 3: Weiter schreiben Clayden et al in ihrem Buch über den Träger des üblen Geruchs:

"There are two candidates for this dreadful smell—propane dithiol (called acetone gem-dithiol above) or 4-methyl-4-sulfanylpentan-2-one. It is unlikely that anyone else will be brave enough to resolve the controversy."

Meines Erachtens lässt sich die Frage durchaus klären, weil 4-Methyl-4-sulfanylpentan-2-on ein bekannter Aromastoff ist, der in hoher Verdünnung nach Cassis (Schwarze Johannisbeere) riecht; Autoren die mit dem Stoff gearbeitet und darüber publiziert haben, weisen nicht auf einen extrem unangenehmen Geruch der Verbindung hin (auch wenn der konzentrierte Reinstoff durchaus übel riecht).

Dagegen weisen fast alle Autoren, die mit Propan-2,2-dithiol gearbeitet haben auf den extrem üblen Geruch der Verbindung hin und warnen davor!

26. Eine ungewöhnliche Methode, Schwefel zu gewinnen

A. Yasuhara et al, Bull. Chem. Soc. Jpn. 1983, 56, 3175. („This article describes an identification of cyclo-octasulfur in swine manure.“)

Man beachte:

• Ausbeute: 3.35 mg aus 400 g „Feststoff“ und 700 mL „Flüssigkeit“, bei einer Arbeitszeit von ca 2 Wochen.

• Diskussion: Kann die Isolation wirklich als Nachweis des Vorkommens von (elementarem) Schwefel in dem „Naturprodukt“ gelten?

Weitere Arbeiten zum Thema, mit einigen bemerkenswerten Details:

• „Hydrogen Sulfide and Dimethyl Sulfide in Liquid Swine Manure“ Chemosphere 1978, 7, 833.

• „Isolation and Characterization of Odorous Components in Solid Swine Manure“, A. Yasuhara, K. Fuwa, Agric. Biol. Chem. 1980, 44, 2379.

Hier sind noch einige Details zu den Einzelsamples (genau gewogen) und der Quelle der Samples gegeben:

Die letzte Tabelle mit der interessanten semiquantitativen Beurteilung der Samples ist aus: Agric. Biol. Chem. 1980, 44, 2491

27. Biringuccio: Wie man sich mittels Magnetsteinen einen Salat bereiten kann...

Biringuccio, „De la pirotechnia“,Venedig, 1540 (deutsche Übersetzung 1925, Braunschweig: F. Vieweg & Sohn). (Aus dem zehnten Buch, Abschnitt über den Magnetstein:)

„Der Magnetstein gehört zu denjenigen Stoffen, deren sichtbare Wirkungen auf einer besonderen, so geheimnisvollen Kraft beruhen, dass selbst die gelehrtesten Naturforscher die Ursache dieser Vorgänge meinem Wissen nach bis heute nicht erkannt haben, obgleich sie alle anderen Dinge beschrieben haben. Ueber diese Kraft muss sich wirklich jeder wundern, der ihre Wirkungen betrachtet. Scheint doch die Natur in diesen Stein eine Art munteren Geist gesteckt und ihm, ich möchte sagen, unsichtbare Hände gemacht zu haben. Man sieht nämlich, dass der Magnet das Eisen nicht nur anzieht, sondern es packt und festhält, sicher etwas Grossartiges, das von den Kräften der anderen Werke der Schöpfung Zeugnis ablegt, die sich den Sinnesorganen nicht so deutlich offenbaren.

Ich möchte hier aber nicht abschweifen. Der Magnetstein findet sich an verschiedenen Orten und in verschiedenen Färbungen und mit verschiedenen Eigenschaften. Die bekannteste Eigenschaft desselben ist die Anziehungskraft. Albertus Magnus schreibt in seinem Buche de mineralibus im Kapitel de ligaturis et suspensionibus lapidum, dass sich nicht nur Magnetstein findet, der Eisen anzieht, sondern auch ein Gegenstück dazu, das es abstösst. Er sagt ferner, dass es Steine gibt, die Gold, aber nicht Eisen anziehen, sowie andere, die Kupfer bezw. Blei und Zinn anziehen. Andere wieder ziehen das menschliche Fleisch und Gebein an, andere die Haare, und andere endlich ziehen die Fische aus dem Wasser. Ich füge hinzu, dass es eine Art gibt, die Oelstein heisst und Oel anzieht, eine andere namens Lapis aceti, die Essig anzieht, und eine, die Wein bringt, fehlt also nur noch eine Art, die den Menschen nach Belieben Kraut und Salz verschafft, dann kann man sich, wo man geht und steht, überall einen Salat bereiten und, wenn man einen Teller und ein bisschen Brot hat, ein schönes Frühstück anrichten.

Aber lassen wir diese etwas märchenhaft klingende Geschichten. ....“

28. Widerstandsfähige Chemiker

„Glücklicherweise haben die Chemiker schon von Haus aus eine größere Widerstandsfähigkeit gegen krankmachende Einflüsse, denn dieser Stand recrutiert sich begreiflicherweise in der Regel aus den gesündesten Männern…“

Aus: „Woran fehlt es den chemischen Laboratorien am meisten?“ von J. Bing, J. prakt. Chem. 1882, 26, 131ff (S. 132).

[Leider erklärt Herr Bing dem Leser den für ihn offensichtlichen Zusammenhang nicht. Dies zeigt, wie wichtig es ist, in wissenschaftlichen Artikeln auch scheinbar selbstverständliche Voraussetzungen nochmals kurz festzuhalten, sei es auch nur für die Nachwelt.]

Mit Dank an Dr. Florian Kraus für den Hinweis.

29. Verlorengegangenes Fachwissen

Unter dem Stichwort „Ungeziefermittel“:

"Vertilgungsmittel für Füchse. In den Schlund eines kleinen frisch geschossenen Vogels wird ca. 1,0 Strychnin eingeführt und der Vogel dann in die Nähe des Baues oder auf einen bekannten Wechsel des Fuchses gelegt. Um den Fuchs nicht durch den menschlichen Geruch abzuschrecken, thut man gut, vor der Behandlung des Vogels die Hände mit ein wenig Anisöl und Moschustinktur zu befeuchten."

 

Gustav Adolf Buchheister, Handbuch der Drogisten-Praxis, Verlag von Julius Springer, Berlin, 3. Auflage, 1893.

www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html

30. Jeremias Gotthelf erlaubt sich einen Scherz mit einem bekannten Chemiker

Nur wenige Namen bekannter Chemiker haben sich im Bewusstsein einer breiteren Bevölkerungsschicht verankert. Einer davon war zu seiner Zeit Justus Liebig mit seinen Arbeiten zur Düngung in der Landwirtschaft und dem Liebigschen Fleischextrakt, beides mit Bezug zur Landwirtschaft. Der bekannte Schweizer Volksschriftsteller Jeremias Gotthelf (1797–1854) konnte sich deshalb in seinem 1843/44 erschienenen Werk „Wie Anne Bäbi Jowäger haushaltet und wie es ihm mit dem Doktern geht“ (eine aufklärerische Schrift, die sich gegen das Wirken von Kurpfuschern und Wunderheilern auf dem Lande richtete) einen kleinen Scherz unter Nennung Liebigs’ erlauben:

"Es gibt nämlich Katholiken, welche sagen, sie wüßten wohl, woher es komme, daß das Land der Reformierten viel besser sei als das der Katholiken, es komme nämlich daher, daß die Reformierten keine Fasttage hätten, darum täten sie viel mehr Fleisch essen, und daher sei ihr Dünger viel bschüssiger [= ergiebiger]. Weiß nicht, man sollte dem Professor Liebig in Gießen zwei Druckli schicken, eins mit katholischem Dreck und eins mit reformiertem Dreck, der hülfe einem bald aus dem Gwunder."

Jeremias Gotthelf, Wie Anne Bäbi Jowäger haushaltet und wie es ihm mit dem Doktern geht, Zweiter Teil, Kapitel 9, 1843/44. (http://gutenberg.spiegel.de/buch/6300/9)

31. Herr Lehmanns Experimente mit Kaffee und Individuen der ärmeren Classe

Zwei Aufsätze von Dr. Julius Lehmann „Ueber den Kaffee als Getränk in chemisch-physiologischer Hinsicht“ finden sich in Justus Liebigs Annalen der Chemie 1853, 87, S. 205–217 und S. 275–290. Die Texte sind sehr lesenswert, nicht unbedingt ihres wissenschaftlichen Inhalts wegen, aber bezüglich des Einblicks in Sprache, Ansichten und Alltagswelt ihrer Zeit!

Dr. Lehmann möchte der physiologischen Wirkung des Kaffees auf den Grund gehen; dazu gibt es schon verschiedenen Ansichten, was ihn einleitend zu grundsätzlichen Betrachtungen veranlasst:

„ ... Je mehr sich nun die Resultate von Untersuchungen irgend eines Gegenstandes widersprechen , desto mehr muß man sich zu neuen Forschungen darüber hingezogen fühlen, um endlich durch Thatsachen, die aus genauen und vielseitigen Prüfungen hervorgegangen sind, die Wahrheit an das Licht führen zu helfen. Der Mangel an Genauigkeit und Ausdauer, an vorausgeschickter Beseitigung ganz besonderer Verhältnisse und Schwierigkeiten bei gewissen Untersuchungen war wohl häufig der Grund falscher Resultate, die uns dann eben so falsche Ansichten über Gegenstände aufdrängten, oder richtige wieder verdunkelten.“

Nun sind genaue Versuche über die Wirkung des Kaffees anzustellen, wobei die Effekte der zwei charakteristischen Komponenten, nämlich des Caffeins von denjenigen des empyreumatischen Öls zu trennen sind. Dazu ist es nötig,

„... zu derartigen Arbeiten gerade solche Individuen zu erlangen, welche sich den nöthigen Anforderungen streng unterziehen, eine wochenlang gleichmäßige Diät fortzuführen im Stande sind, und so wenig wie möglich während der Untersuchungsperiode extravagiren ...“

Den zentralen Parameter zur Charakterisierung des Stoffwechsels grenzt Dr. Lehmann scharf ein:

„Da nun für die Lehre vom Stoffwechsel eines Individuums nichts maßgebender ist, als genaue Untersuchungen des in einer gewissen Zeit gelassenen Harns, so beschränkte ich mich auch hauptsächlich bei dieser Arbeit darauf.“

Glücklicherweise finden sich geeignete Individuen für die Experimente:

„Von den Untersuchungen, welche ich an zwei männlichen Individuen, G. M. und H. S. anstellte ...   G. M., 32 Jahr alt, von sehr gesunder Constitution und 102 Pfund Körpergewicht. – Seine Ernährung war in den letzten Jahren eine der ärmeren Bevölkerung entsprechende, die meist aus Brod, Kartoffeln, vielem Kaffee, Butter, manchmal Käse, seltener nur aus Fleisch bestand; seine tägliche Beschäftigung, sowie seine ganze Lebensweise waren im Allgemeinen schon sehr geregelt, so daß er sich ganz gut zu derartigen Untersuchungen eignete.“

Sind da allenfalls leichte Zweifel zwischen den Zeilen herauszulesen? Es folgt eine Beschreibung der experimentellen Diät. Sodann:

„Der Mann hielt diese Diät viele Wochen so aus, stets mit der Versicherung, daß er im ganzen Jahre alle Tage so fort leben könnte, ohne dieser Nahrung überdrüssig zu werden. Die Quantitäten der festen Ausscheidungsproducte sind bei allen Untersuchungen in Grammen bestimmt.“

Mit den festen Ausscheidungsprodukten sind übrigens Phosphorsäure, Kochsalz und Harnstoff im Harn gemeint. Die Wirkung des Caffeins wird nun an G. M. untersucht:

„Um nun zuerst die Wirkungsweise des Caffeins kennen zu lernen, benutzte ich von Neuem den G. M.“

Weil die Gabe von 4 Gran (260 mg) pro Tag keine besondere Wirkung hervorruft, erhöht man die Dosis:

„Ich gab daher dem G. M. am letzten Tage 8 Gran davon, und diese verursachten dann frequenteren Puls, starke Herzthätigkeit, Zittern, fortwährenden Drang zum Uriniren, wobei immer nur sehr geringe Quantitäten an Harn gelassen werden konnten. Zu gleicher Zeit trat eine sehr erregte Phantasie ein, später Verwirrung der Gedanken, Visionen und überhaupt ein eigenthümlich berauschter Zustand, dem ein sehr fester Schlaf folgte.“

Leider sind die Inhalte der Visionen nicht weiter ausgeführt. Nun muss noch die Wirkung des empyreumatischen Öls geprüft werden:

„... ich versetzte deßhalb den G. M. nochmals in die Normaldiät, bis die Quantitäten der Ausscheidungsproducte wieder ihren Höhepunkt erreicht hatten, und gab ihm dann anstatt des Wassers diese empyreumatischen Stoffe des Kaffees zu trinken.“

Gefunden wird, dass...

„Die Wirkung des empyreumatischen Oels auf die Hirnthätigkeit schien sich weniger auf die Phantasie wie gerade auf den Verstand zu äußern, was ich später durch mehrere andere Versuche noch bestätigt fand.“

Leider wird auch hier nicht mitgeteilt, worin sich das im Detail geäußert hat. In Kontrollversuchen zeigen sich zudem teils neue Effekte:

„Bei zwei anderen Individuen, denen ich ebenfalls einige male von dem Destillat zu trinken gab, zeigten sich ganz ähnliche Wirkungen wie bei G. M., aber nebenbei bekamen sie kurz nach Einnahme derselben Stuhlentleerungen.“

Die Schlussbetrachtungen dehnen sich auf immerhin 12 Seiten aus und sind reich an allgemeinen Betrachtungen:

„Ein Jeder, der das unumstößliche Gesetz kennt, daß der Proceß der Ausscheidung unseres Körpers mit dem der Zusichnahme von Stoffen, welche zu Wiedererzeugung unserer Organe nöthig sind, in geradem Verhältniß stehen muß, wenn das Leben seinen ungestörten Fortgang haben soll; ein Jeder, der weiß, daß eine Verminderung oder Vermehrung seiner geistigen und körperlichen Anstrengungen eine Verminderung oder Vermehrung seiner Ausscheidungsproducte und somit auch seiner Nahrungsstoffe bedingt, der wird die Kraftäußerungen, das geschäftige Leben und dabei häufig den gesunden Leib der ärmeren Classe nicht begreifen können, wenn er dieses bloß in ein Verhältniß mit der sehr geringen Menge wirklicher Nahrungsstoffe bringen will, die die einzelnen Individuen derselben ihrem Körper zu reichen im Stande sind.“

„Mit Recht auch müßte häufig die Existenz dieser Armen unbegreiflich scheinen, hätte ihnen die Natur weiter keine Mittel zur Unterhaltung ihres Leibes und ihrer Kräfte in die Hand gegeben, als nur die wirklichen Nahrungsstoffe. Denn da sich gerade die Armuth in einem Mangel derselben characterisirt, so würde sich auf diese Weise nur zu bald ein gestörtes Gleichgewicht zwischen Ausgabe und Einnahme einstellen, der Stoff würde immer mehr und mehr, endlich bis zur vollständigen Auflösung des Lebens verschwinden, und sonach die Existenz dieser Armen bedeutend verkürzen.“

Das ist aber nicht der Fall, wie die Erfahrung zeigt. Dr. Lehmann scheint daran auch kein Interesse zu haben, sondern bedauert durchaus die schlechte Ernährung der Armen:

„Betrachten wir nun die Ernährungsweise der ärmeren Bevölkerung Deutschlands, so sehen wir leider, daß die einzelnen Individuen derselben das Fleisch , die nahrhafteste Substanz für den Körper, nur als einen selteneren Leckerbissen kennen und überhaupt ihrer Unbemitteltheit wegen nothgedrungen sind, die an blutbildenden Bestandteilen reichen Nahrungsmittel durch eine an denselben sehr arme Kost, die Kartoffeln u. s. w., mehr oder weniger zu verdrängen...“

Hier kommt nun der Kaffee ins Spiel:

„Instinctmäßig steigert der Arme den Genuß von Kaffee, je mehr er gezwungen ist, die Kartoffeln als sein Hauptnahrungsmittel anzuerkennen.“

Der Kaffee hat nämlich die etwas rätselhafte Wirkung, die darin besteht, den Mangel an Nahrung durch Verlangsamung des Stoffwechsels auszugleichen, den Mangel unfühlbar zu machen, dabei aber das Nervenleben zu Steigern. Wie aber eine langfristige Steigerung der Leistung bei gleichzeitiger Verlangsamung der Lebensprozesse möglich ist ...

„ ... oder wie dieser Gegensatz von Wirkungen in unserem Körper zu erklären ist, werden vielleicht spätere Zeiten zur Aufklärung bringen.“

So, jetzt ist Zeit für eine Kaffeepause!

32. P. Lenard richtet sich sein Institut neu ein...

(Bezug des Physikalischen Instituts der Universität Kiel im Jahr 1898:)

"... dazu mußte eine neue Türöffnung durchgebrochen werden. Der mich bei der Institutsbesichtigung begleitende Baubeamte erklärte das für ganz unmöglich; die Herauslösung auch nur eines Ziegels aus diesem Haus könnte es zum Einsturz bringen. Darauf ließ ich sofort den schwersten Hammer aus der Werkstatt bringen und schlug eigenhändig den ersten Ziegel zur gewünschten Türöffnung heraus, so daß er ins andere Zimmer fiel! In dieser Weise verfuhr ich weiter."

"Philipp Lenard, Erinnerungen eines Naturforschers, Kritische annotierte Ausgabe des Originaltyposkripts von 1931/1943", A. Schirrmacher, Springer Verlag, Heidelberg, 2010. S. 185.

33. ... und tut etwas gegen den muffigen Geruch

(Weiter beim Bezug des Physikalischen Instituts der Universität Kiel im Jahr 1898:)

"Die beängstigend dumpfe Luft, die das Haus erfüllte ... beseitigte ich vollkommen durch Desinfektion mit Chlorgas. Ich schaffte große Tongefäße an, für jedes Zimmer eines. Der Boden der Gefäße wurde mit Chlorkalk bedeckt, und nach Einfettung nicht entfernbarer blanker Metallteile in den sonst ausgeräumten Zimmern wurde Salzsäure auf den Chlorkalk gegossen. Schnell flüchteten wir dann aus den Zimmern und verschlossen dieselben dicht für einige Tage. Als ich davon nach Hause kam, röchelte es beträchtlich in meiner Brust, so dass ich zu Bett gehen mußte; es war aber bald vorbei."

"Philipp Lenard, Erinnerungen eines Naturforschers, Kritische annotierte Ausgabe des Originaltyposkripts von 1931/1943", A. Schirrmacher, Springer Verlag, Heidelberg, 2010. S. 185.

34. Unsachgemäße Beschriftung der Chemikalien

"... Im übrigen war das Meiste ungeordnet im Institut. Eine chemische Sammlung in einer offenen Wandnische enthielt viele Flaschen durcheinander. Eine dieser Flaschen wurde dem vortrefflichen Mechaniker Ruppert, den ich eben erst neu angenommen hatte, verderblich. Er hatte sie geholt, da er mit Teilkreis-Versilberungen beschäftigt war; die Aufschrift lautete: "Kochsalz zum Versilbern", der Inhalt roch stark nach Blausäure. Unbegreiflicherweise streute der Mechaniker - wie nachher der Lehrling berichtete - von diesem Salz auf sein Butterbrot. Er verstarb nach kurzen Krämpfen noch in der Werkstatt, ehe Arzt und Krankenwagen ihm helfen konnten."

"Philipp Lenard, Erinnerungen eines Naturforschers, Kritische annotierte Ausgabe des Originaltyposkripts von 1931/1943", A. Schirrmacher, Springer Verlag, Heidelberg, 2010. S. 186.

(Der Vorfall ereignete sich im Physikalischen Instituts der Universität Kiel am 14.2.1901.)

35. Vom Radium an der Universität München

"1934 hatte die "Union Minière" drei Gramm Radium zur Neubestimmung des Atomgewichtes zur Verfügung gestellt. Jedoch fehlten die Mittel, nicht nur um das Leihpräparat mit seinem wirklichen Wert von 6 mal 100 000 Mark gegen Diebstahl zu versichern, es fehlte auch an Geld für Strahlenschutz aus Bleiklötzen und dergl., so dass sich Hönigschmid mit seinem Assistenten Sachtleben nur mit Gummifingerlingen gegen die -Strahlen behalfen. Nichtsahnend kamen Prof. Linhardt und Dr. Geffken als Ferienbesucher ins Münchner Atomlabor, wo Hönigschmid – mit den Gummifingerlingen – ein Quarzkölbchen mit RaCl2 zum umkristallisieren schüttelte. Stumm betrachteten die Besucher seine Manipulation. Dann bemerkten sie vorwurfsvoll, daß das aber sehr gefährlich sei, weil die harte Strahlung des Präparats die Keimdrüsen schädigen könne. Verbissen knurrte Hönigschmid: „Ach was! Ich habe keine Kinder, und Sachtleben braucht keine mehr.“ Die Besucher verschwanden leise.“

Hausen, J.: Was nicht in den Annalen steht, Chemiker-Anekdoten, Verlag Chemie, 6. Aufl., Weinheim 1969

36. Vom Kalium an der Universität München - "zu organische" Methoden

„Von Hevesy hatte sich in langer und sorgfältiger Arbeit bemüht, durch „ideale Destillation“ die Isotopen des Kaliums zu trennen. 1927 war es soweit, daß er die schwere Fraktion, in der das 41K angereichert war, an Hönigschmid zur Atomgewichtsbestimmung schicken konnte. Das metallische Kalium befand sich im herausgeschnittenen Boden des Destillationskolbens. Die Oberfläche war durch Behandlung mit Kohlendioxid in Kaliumcarbonat umgewandelt worden. Hönigschmid berief seine Paladine zur Beratung, wie man das Kalium in Lösung bringen könne. Darunter befand sich auch Goubeau, der die Geschichte erzählte. Zintl schlug vor, die Probe unter einem inerten Lösungsmittel ganz allmählich mit Alkohol und schließlich mit Wasser umzusetzen. Diesem Verfahren konnte Hönigschmid als „zu organisch“ nicht ohne weiteres zustimmen. Er brummte: „Bringen S' mir an Spatel.“ Als er damit die oberflächliche Schicht von Kaliumcarbonat etwas wegkratzte, fing das Kalium Feuer, das nicht mehr gelöscht werden konnte. Ein Teil des Kaliumpräparats entschwand als Rauch durch das in der Not geöffnete Fenster. Als das Feuer ausgebrannt war, wurde der im ursprünglichen Glasgefäß und auf dem angebrannten Labortisch verbliebene Rest aufgewaschen und gesammelt (einschließlich des Kaliums aus der Holzasche), das Kalium als Perchlorat gefällt und dann das Atomgewicht bestimmt. Von Hevesy hatte einen etwas stärkeren Trennungseffekt erwartet.“

Hausen, J.: Was nicht in den Annalen steht, Chemiker-Anekdoten, Verlag Chemie, 6. Aufl., Weinheim 1969

[Hier reizt es mich, folgenden Satz zu zitieren: "Jedem hat es Nutzen gebracht, durch Hönigschmids Schule exakten Arbeitens gegangen zu sein. Mit diesem Satz sprach Zintl 1938 in einer Festschrift für seinen Lehrer seinen Dank aus." (aus: H. W. Kohlschütter, "Lehre und Forschung. Eduard Zintl." Die Naturwissenschaften 1941, 29, 17.) - L. H.]

37. Wieder Radium – Sir Frederick Soddy

„Ich hatte mir einige Milligramm des damals schon sehr kostbaren Radiums beschafft. Man brauchte keine besondere Untersuchung vorzunehmen, um seine Echtheit zu prüfen. Eine Betrachtung im Dunkeln mit einem Röntgenschirm genügte für jeden, der damit vertraut war. Als ich es in die Universität brachte, steckte Ramsay zu meinem größten Schrecken einen angefeuchteten Platindraht hinein und verwendete dabei einen großen Teil meiner wenigen Milligramme. Dann hielt er es in einen Bunsenbrenner, um zu sehen, ob es die für bariumfreies Radium charakteristische rote Flamme gäbe! Das war das einzige Mal, daß ich diese Flamme gesehen habe, und ich will sie nie wieder sehen. Es machte mich krank diesen Schatz so verschwenderisch behandelt zu sehen, und außerdem wurde dadurch das Laboratorium dauernd für jede hochempfindliche radioaktive Arbeit verdorben.“

Weigel, F.: Vorlesungsskript zu „Radiochemie I + II“, München SS 1978 und WS 1978/79

[Nr. 35–37: Dank an Prof. Florian Kraus, Marburg, für die Hinweise!]

38. Der Obrigkeit wird die Notwendigkeit eines Institutsneubaus aufgezeigt

„Bald nachher hatten wir die Ehre, die Kommission zu empfangen. Damit das in würdiger Weise geschehe, waren nach Verabredung mit den Assistenten und Studenten Vorbereitungen getroffen, nicht mit Blumen oder weißgekleideten Jungfrauen, sondern auf viel wirksamere Weise mit den stärksten Riechstoffen der Chemie. Brom, Schwefelwasserstoff, Ammoniak, Mercaptan, Skatol, Isonitril, Kakodyl hatten dazu gedient, die verschiedenen Räume des Instituts mit einer infernalischen Atmosphäre zu erfüllen, um den Mitgliedern der Kommission die ungenügende Größe und schlechte Ventilation überzeugend ad nasum zu demonstrieren. Ich sehe noch die erstaunten Gesichter der Herren, die sich tapfer durch die Gerüche durcharbeiteten, und als wir schließlich im Keller angelangt waren, atmete die ganze Gesellschaft auf und erklärte, daß hier die Luft bei weitem am besten sei.“

Emil Fischer, „Aus meinem Leben“, J. Springer, Berlin 1922.

39. Das schmerzt richtig!

Wie könnte man eigentlich den Schmerz, den ein Insektenstich verursacht, messen? Und welcher Stich ist der schmerzhafteste?

Eine überraschend einfache Lösung schlagen J. O. Schmidt et al vor (Archives of Insect Biochemistry and Physiology 1984, 155–160):

Man lässt sich also durch die Insekten stechen und vergleicht die resultierenden Schmerzen untereinander, wobei eine Skala von 1–4 Anwendung findet (unter Punkt 26 weiter oben wurde eine etwas genauere Skala von 1–5 für einen anderen Sinneseindruck verwendet, siehe dort!) – eine so einfache wie geniale Lösung.

Und hier ein Ausschnitt aus den Resultaten:

Weltmeister im schmerzhaften Stechen ist die Amazonen-Ameise Paraponera clavata. Wer's nicht glaubt, geh selber hin und seh!

[Mit Dank an J. Rekowski für den Hinweis.]

Anmerkung:

• Der Entwickler dieser Schmerzskala, J. O. Schmidt, hat im Guardian über seine Erfahrungen berichtet.

• Zudem hat er gleich noch ein Buch über das Thema geschrieben: J. O. Schmidt, The Sting of the Wild, 2016.

• Mittlerweile gibt es auf Youtube ganze Serien von Menschen, die sich absichtlich von allerlei exotischen Insekten stechen lassen um ihre theatralischen Reaktionen dabei zu filmen, z. B. Coyote Peterson 

40. Die ChemDraw–Lizenz zu teuer...?

... denkt man sich bei Betrachtung dieses Artikels – oder gab es ChemDraw überhaupt schon 1987? (Antwort: hier und hier).

Tatsächlich handelt es sich um einen Artikel mit dem damals 90-jährigen Nobelpreisträger Tadeus Reichstein, der bis ins hohe Alter experimentelle Untersuchungen zu Inhaltstoffen der Streifenfarngewächse betrieb. Die handgeschriebenen Formeln waren auf Anregung des Herausgebers abgedruckt worden, um die säuberlichen Zeichnungen des Autors zu ehren, der auch für sein experimentelles Geschick und genaues Arbeiten mit mikrochemischen Techniken bekannt war.

W. J. Richter, F. Raschdorf, J. v. Euw, T. Reichstein, C.-J. Widén, Helv. Chim. Acta 1987, 70, 881.

41. Akronym-Alarm!

Unter NMR-Spektroskopikern ist es Usus, Experimente mit mehr oder weniger lustigen Abkürzungen zu versehen. COSY, NOESY, TOCSY, ROESY, INADEQUATE... flüssig in der Aussprachen sollen sie halt sein.

Die Autoren des folgenden Artikels haben es gleich den Lesern überlassen, sich ein passendes Akronym auszudenken. Honi soit qui mal y pense!

42. Heitere Peptide

Mit dem one-letter-code für Aminosäuren in Peptiden kann man auch Wörter "schreiben". Wozu das sinnvoll ist? Mehr davon gibt es jedenfalls beim Erfinder, David Wade.

43. Irgendeiner musste es mal untersuchen. Es war dann Nencki.

Und der hatte auch noch einen älteren Bruder der sich auch ziemlich in – "die feste Materie" – vertieft hat, aber genug davon jetzt auf dieser seriösen Website!

Leon Nencki, Monatshefte für Chemie und verwandte Teile anderer Wissenschaften, December 1889, Volume 10, Issue 1, pp 862-863.

44. Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?

Das empirische Wissen älterer Generationen geht beim peniblen Einhalten der Sicherheitsvorschriften langsam aber sicher verloren.

Man beschreibt das Arbeiten mit elementarem Chlor und schließt:

"Es sollte erwähnt werden, daß H2S in sorgfältiger Verdünnung mit Luft weitgehend die Schmerzen lindert, die durch Einwirkung von elementaren Halogenen auf die Schleimhäute, besonders der Augen, hervorgerufen werden. Dabei ist auch unbedingt die große Giftigkeit des Schwefelwasserstoffs zu beachten."

G. Heinicke, H. Meinert, U. Prösch, G. Scholz, "Methoden des anorganisch-chemischen Experimentierens, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1976.

[Mit Dank an Prof. Florian Kraus, Marburg, für den Hinweis]

45. DE MORTIUS NIL NISI BENE

Man könnte vermuten, dass biographische Skizzen über verstorbene Fachgenossen oft "hagiographisch" eingefärbt sind und die Leistungen und Persönlichkeit der oder des Verstorbenen etwas beschönigen und die positiven Aspekte herausstreichen. Die Skizze die uns Fritz Kröhnke (1903-1981) von seinem akademischen (Postdoc) Lehrer Hermann Leuchs (1879–1945) gibt, gelangt nicht leicht in den Verdacht, übermäßig unkritisch an die Sache zu gehen:

• "Fachkollegen, die ihn genau kannten, sind übereinstimmend der Meinung, daß der Schärfe seines Intellekts weitaus größere Aufgaben lösbar und viel nachhaltigere Wirkungen möglich gewesen wären. Aber er blieb ausschließlich auf sich gestellt und mit überkritischer Schärfe sah er eigene und fremde Fehler."

• "In seinen eigenen Arbeiten war er scharfsinnig, aber nicht phantasievoll."

• "Kühle Kritik und die enorme Kenntnis seines Fachgebiets verboten ihm die Überschätzung der eigenen Arbeit, die ein so wichtiges Stimulans sein kann. Vorschläge seiner Schüler in Richtung auf neue Versuche entwertete er mit autoritativer Sachkunde; so blieb denn vieles ungeschehen, was dann nachher anderen zugute kam."

• "Als Lehrer war er gemessen und genau, aber nicht anregend und bei weitem nicht mitreißend insofern war er zum Hochschullehrer nicht prädestiniert. Sein Vortrag war monoton; die vorher mit kleiner Schrift an die Tafel geschriebenen Formeln wurden ohne Betonung erläutert, vielen selbst akustisch nicht verständlich - eine Strapaze für ihn und seine Hörer."

• "Die häufigen Prüfungen waren für ihn lästige Störungen, die er oft mißgelaunt begann - falschen und unexakten Antworten schroff und unpsychologisch begegnend."

• "Es mußte auch einen standfesten Examenskandidaten mutlos machen, wenn er gleich zu Beginn dem Prüfenden, der sich als Oberrealschüler bekannte, replizierte: ,,Also ungebildet !" Die meisten jungen Chemiker, die mit ihm in Berührung kamen - und vor allem die Medizinstudenten - haben so nur seine ausgesprochenen Schattenseiten kennengelernt."

• "Die späteren Arbeiten lassen diese Bereitschaft, neue Methoden in den Kreis der Arbeiten einzuführen, zunehmend vermissen."

• " ... mit O. Diels und dessen Familie verband ihn lange Jahre etwas Ähnliches wie Freundschaft."

• "Aber den verschiedenen Bemühungen, ihn seiner Verstricktheit zu entreißen, waren immer nur Anfangserfolge beschieden."

• "Leuchs lebte puritanisch einfach. Sein Tageslauf war streng geregelt ; der Kunst und wirklicher innerer Entspannung war dabei kein Raum gelassen."

• "Ebenso liebte er keine ,,neuen Gesichter", er erschien zunächst ablehnend - entmutigend für so viele; ..."

• "... er hat es nie verwunden, daß er die ihm vom Ministerium zugesagte Nachfolge von Schlenk als Direktor des Chemischen Universitätsinstituts in Berlin dann doch nicht erhielt."

• "In den letzten Jahren seines Lebens war er Menschenverächter bis zu dem Grade, daß er es nicht mehr verbarg. So lebte er in einer extremen Einsamkeit, ohne aber das Alleinsein im Grunde zu wollen."

• "Offenbar besaß er bei aller äußeren Beherrschtheit eine beträchtliche Erlebnis- und Leidensfähigkeit, die stärker war als sein Fond an Originalität und Phantasie, so daß ein Zug zur Resignation bei ihm ständig zunahm. Schon in mittleren Jahren waren seine Haare weiß."

• "Wer ihn in den Jahren etwa ab 1940 wiedersah, mußte über seinen Verfall erschüttert sein. Angesichts der von ihm als aussichtlos erkannten Kriegslage mit ihren für jeden einzelnen unausdenkbaren Konsequenzen, der Zerstampfung ganzer Stadtteile seines geliebten Berlin, der zunehmenden Unmöglichkeit, seine Arbeiten fortzusetzen, wurde das Wort Hoffnung zu einer Blasphemie. Es war der Weltuntergang, der Untergang seiner Welt."

• "Diese Katastrophen trafen bei ihm auf eine bereits sehr überreizte seelische Substanz. Helfende Freunde waren nicht da und es fehlte die Stütze, die, oft ganz allein, viele andere in dieser unendlich schweren Zeit am Leben hielt... So war das selbstgewählte Ende nur der fast beruhigende Schlußpunkt nach jahrelanger, schließlich unerträglicher Qual."

• "Das genaue Datum seines Todes (2. Mai ? 1945) in seiner Berliner Wohnung ließ sich nicht mehr ermitteln, ebensowenig der Ort seiner Beisetzung in einem Massengrab."

Natürlich enthält die Skizze neben diesen doch etwas deprimierenden Aussagen auch positives über die Person und eine Übersicht der wissenschaftlichen Arbeiten.

F. Kröhnke, Chem. Ber. 1952, 85, LV–LXXXIX.

46. Die Atropin-Vergiftung als Indikator der Entwicklungsstufe des Gehirns?

Aus: Hildebert Wagner, "Rauschgift-Drogen", Reihe "Verständliche Wissenschaft", Springer, 1969, S. 63.

Anmerkungen: Die obige – durchaus provozierende – Aussage über die Korrelation des "Entwicklungsstands des Gehirns" mit der Atropin-Giftwirkung auf verschiedene Organismen (in der Reihenfolge: Mäuse - Hunde - Affen - Neger - Weisse) ist mir vor einigen Jahren zuerst in Römpps Chemielexikon (Auflage von ca. 1960) begegnet. Woher stammt diese Erkenntnis? Etwas älter schon ist diese verwandte Aussage:

"Ist schon die große Verschiedenheit in der Giftwirkung bei einzelnen Gattungen und Arten interessant, so sind doch die diesbezüglichen Rassenunterschiede besonders bemerkenswert. Neger und Malaien sollen z. B. nach großen Opiumdosen in Konvulsionen und Delirien verfallen, statt, wie wir, betäubt zu werden. Gegen Atropin scheinen Neger weniger empfindlich zu sein als Weiße (McGuigan, Paskind)."

["Die konstitutionelle Disposition zu inneren Krankheiten", J. Bauer, Springer, 1924.]

Analog findet man bei B. Kisch, "Pharmakologie der Herzens", in "Blutzirkulation - Erster Teil - Herz", Springer, 1926:

"Vom Kaninchen ist es bekannt, daß es gegen Atropin sehr resistent ist. Kinder und Neger sollen gegen Atropin resistenter sein als weiße Erwachsene [McGuigan]. Doch bestehen auch große subjektive Unterschiede."

Die zitierten Originalarbeiten sind:

1. H. A. Paskind, "Some differences in response to atropine in white and colored races", J. of laborat. a. clin. med. 1921, 7, 104-108. Daraus wurde wie folgt referiert ("Berichte über die gesamte Physiologie und experimentelle Pharmakologie, Springer, 1922"):

"Es wurde die Wirkung des Atropins auf 20 Europäer und 20 Neger verglichen. Die Dosis betrug 2 mg Atropin, das subcutan injiziert wurde. Bei den Europäern wurde zunächst eine Pulsverlangsamung und erst nach etwa 30 Minuten eine Pulsbeschleunigung beobachtet, bei den Negern trat keine Pulsverlangsamung ein. Die Neger sind gegen die zentrale Wirkung des Atropins empfindlicher als die Europäer."

2. McGuigan, H.; Journ. of the Americ. med. assoc. 1921, 76, 1338. "The effect of small doses of atropin on the heart rate."

Man beachte, dass die Aussagen zur "höheren Empfindlichkeit" erstens widersprüchlich sind und zweitens die zitierten Originalarbeiten lediglich Wirkungen niedriger Atropindosen auf den Puls beschreiben. Einen Bezug zum "Entwicklungsstand des Gehirns" kann man daraus schwerlich herstellen!

Es gibt auch moderne Studien zum Effekt von Atropin auf verschiedene Ethnien:

• 1988: "The effect of atropine on heart-rate: a comparison between two ethnic groups." Hier wird berichtet, dass in einer Studie mit 64 Whites und 65 Vendas (südafrikanischer Stamm) die Vendas eine stärkere Reaktion auf niedrige Atropindosen zeigen. "These differences are statistically significant, but were of no clinical importance."

• 1992: "Differing effect of atropine on heart rate in Chinese and white subjects". Diese Studie findet dass Chinesen (8 Chinese males, 8 white males) bie mittelhohen Dosen beim Anstieg des Pulses stärker auf Atropin reagieren.

• 1995: "The Effect of Atropine on Parasympathetic Control of Respiratory Sinus Arrhythmia in Two Ethnic Groups". In dieser Studie mit "Nine black and nine white healthy male volunteers" wird allerdings festgestellt: "No significant differences could be found at any stage for any parameter between the groups."

47. Dual Use von Getränkeflaschen

Beim Experimentieren unter leichtem Druck fehlt manchmal geeignete Ausrüstung; findige Chemiker behelfen sich dann mit Gegenständen aus dem Alltag:

"Bei unseren Studien über die Einwirkung von flüssigem Chlor auf verschiedene Metalle und Metallsalze gelang es uns, u. a. das Bleitetrachlorid in Form verschiedener Doppelsalze in beliebig großer Menge darzustellen und die Verbindungen genauer zu untersuchen. Die Darstellung geschah durch Einwirkung von flüssigem Chlor auf festem Bleidichlorid, bei Gegenwart von rauchender Salzsäure. ... Nach vielen Versuchen, diese Reaktion unter Druck in verschiedenen zu diesem Zweck konstruierten Apparaten auszuführen, sind wir zur Anwendung der gewöhnlichen kleinen Bierflaschen mit sogenanntem Patentverschlußs übergegangen, welche sich als sehr zweckmäßig erwiesen. Die Flasche wurde mit ca. 200 ccm rauchender Salzsäure und 25 g Bleidichlorid beschickt, in eine Kältemischung (Eis und Kochsalz) gestellt, flüssiges Chlor hinzugegeben und der mit Gummikappe versehene Porzellanstöpsel aufgedrückt."

A. Claasen, B. Zahorski, Z. Anorg. Allg. Chem. 1893, 4, 11-110. (Mit Dank an Prof. F. Kraus für den Hinweis).

 

Auch organische Chemiker lassen sich von ihren Lastern inspirieren, wie folgende Angabe im experimentellen Teil einer Arbeit von Mannich zeigt:

"34 g salzsaures Methylamin (1/2 Mol), 87.5 g Formaldehyd-Lösung von 35% (1 Mol), 40 g Wasser und 85 g Acetaldehyd erhitzt man 15 Stdn. auf 70° (Champagnerflasche); dann destilliert man im Vak. bis auf etwa 200 g ab."

C. Mannich, Chem. Ber. 1942, 75, 1480.

 

Ergänzung: Nobelpreis aus dem Einmachglas?

Ein weiterer Fall einer denkwürdigen Doppelverwendung (dual use) stammt aus Karl Zieglers Arbeiten zur Polymerisation von Ethylen. Hier ist übermittelt, dass ein Schlüsselexperiment zur Skalierung der Polymersation in einem Einmachglas durchgeführt wurde, dessen Provenienz zudem genau bekannt ist: 

"Mit Versuchen in einem außergewöhnlichen Laborgerät gelang Zieglers Assistent Heinz Martin dann der nächste wichtige Schritt. Er polymerisierte in einem Fünfliter-Einmachglas aus den Beständen von Karl Zieglers Frau Maria mittels Diethylaluminiumchlorid und Titantetrachlorid Ethylen bei Normaldruck und Raumtemperatur. Dazu leitete er das Ethylen-Gas zu einer gerührten Suspension des Katalysators in zwei Liter eines geeigneten Lösungsmittels. Sofort stieg die Temperatur an, und schon nach wenigen Minuten bildeten sich Flocken von Polyethylen.

Mit kalten Luftströmen hielt er das Weckglas auf einer Temperatur von etwa 70 Grad Celsius. Innerhalb von etwa 1,5 Stunden wurden etwa 400 Liter Ethylen-Gas polymerisiert, wobei das Reaktionsgemisch immer dicker wurde und schließlich nicht mehr zu rühren war. Die breiige Masse war je nach dem eingesetzten Katalysator zunächst noch grau bis braun, färbte sich aber an der Luft sofort schneeweiß. Nach dem Auswaschen der Katalysatorreste mit Alkohol erhielt der Chemiker etwa 400 Gramm getrocknetes Polyethylen in Pulverform."

[Birgit Fenzel, "Patentlösung aus dem Einmachglas". https://www.mpg.de/8355774/rueckblende-ziegler, Zugriff am 20.9.2023. Archive.org]

[Mit freundlichem Dank an Klaus Beneke, Univ. Kiel, für den Hinweis.]

48. Unheimliche Reaktionsprodukte

Im Labor des seinerzeit berühmten physikalisch-organischen Chemikers Saul Winstein kam es bei Arbeiten mit scheinbar unverfänglichen Chemikalien (Norbornen + Brom) zu unheimlichen Zwischenfällen. Informationen darüber wurden in eher verschämter Form am Ende eines Artikels eingeflochten.

S. Winstein, J. Am. Chem. Soc. 1961, 83, 1516.

49. Unser Analytiker meint das Zeug sei explosiv

Manche Entdeckungen überlässt man gerne dem Analytik-Personal.

 K. Barefield, Inorg. Chem. 1972, 83, 1516.

50. Anekdoten aus dem Fundus von Prof. Kurt Dehnicke

Die folgenden Anekdoten aus dem Fundus von Prof. Kurt Dehnicke sind in den Worten von Prof. a. D. Ulrich  Mueller (Marburg) mitgeteilt:

"Folgende Geschichte wurde von Kurt Dehnicke etwa zehn Jahre lang in jeder Anorganiker-Nachsitzung erzählt. Zuvor musste jeder einzelne Anwesende versichern, die Gechichte noch nie gehört zu haben. Dehnicke hat das erzählte selbst miterlebt, als er noch Dozent in Stuttgart war.

Die Schafsgeschichte

1968 war an der Technischen Hochschule Stuttgart der Lehrstuhl für Anorganische Chemie, Nachfolge Josef Goubeau, zu besetzen. Es wurden mehrere Kandidaten zum Berufungsvortrag eingeladen. Als erster trat Hans Bock an, Dozent an der Universität München. Bock war sehr eloquent und von sich eingenommen. Er hielt einen hervorragenden Vortrag. Die Bedeutung seiner Forschungsergebnisse unterstrich er einerseits durch erhebliche Überziehung der Vortragszeit, andererseits verstand er es, im Vortrag immer wieder deren große Bedeutung hervorzuheben.

Um am Schluss dem Eindruck entgegenzuwirken, er habe zu dick aufgetragen, erschien es ihm angezeigt, alles zu relativieren, und er erzählte folgende Geschichte: "Und so ging es mir wie jenen beiden Forschern, die in einem Zug an einer Schafsherde vorbeifuhren. Der eine von ihnen bemerkte: Siehe, die Schafe sind geschoren. Worauf der andere entgegnete: Zumindest auf der uns zugewandten Seite." Damit war klargestellt, dass es zu jedem Forschungsergebnis noch weitere Erkenntnisse geben könne. Es gab großen Applaus, und Bock kam zur Überzeugung, den Ruf hab ich so gut wie sicher.

Eine Woche später reiste der nächste Kandidat an, Heinrich Nöth, ebenfalls Dozent an der Universität München. Auch er überzog die Vortragszeit, wenn auch nicht so sehr wie Bock. Er hielt einen hervorragenden Vortrag, und er verstand es, die Bedeutung seiner Forschungsergebnisse immer wieder gebührend hervorzuheben.

Um am Schluss dem Eindruck entgegenzuwirken, er habe zu dick aufgetragen, erschien es ihm angezeigt, alles zu relativieren, und er erzählte folgende Geschichte: "Und so ging es mir wie jenen beiden Forschern, die in einem Zug an einer Schafsherde vorbeifuhren." Im Hörsaal machte sich leichte Unruhe breit. Nöth fuhr fort: "Der eine von ihnen bemerkte: Siehe, die Schafe sind geschoren." Stärkere Unruhe und kichern im Hörsaal. Nöth spürte, seine Geschichte kommt gut an. Nachdem sich die Unruhe gelegt hatte, fuhr er fort: "Worauf der andere entgegnete: Zumindest auf der uns zugewandten Seite." Frenetischer Applaus. Nöth kam zur Überzeugung, den Ruf hab ich so gut wie sicher.

Es dauerte Minuten, bis sich die Zuhörer so weit beruhigt hatten, dass der Vorsitzende, Ekkehard Fluck, dem Vortragenden für seinen ausgezeichnten Vortrag danken konnte. Dann fügte er an: "In einem Punkt kann ich Sie aber beruhigen, Herr Nöth: Die Schafe sind von beiden Seiten geschoren. Der Kollege Bock ist vor einer Woche auf der anderen Seite vorbeigefahren."

Danach war es nicht mehr möglich, eine Diskussion zu führen. Den Ruf hat keiner der Kandidaten erhalten.

Nachtrag: Das Erzählen der Geschichte in den Nachsitzungen kam zum Ende, nachdem Hans Bock, inzwischen Professor in Frankfurt, zu einem Vortag nach Marburg eingeladen wurde. In der Nachsitzung erzählte Bock von sich aus die Geschichte.

Die Geschichte vom guten Wein

Hans Bock war einmal zum Vortrag an die Universität Münster eingeladen. Danach gab es, wie üblich, eine Nachsitzung, und danach trafen sich die Kollegen nochmals zu einer Nachnachsitzung im Privathaus von Hermann Becher, der in Münster Professor für Anorganische Chemie war. Bock brachte zur Nachnachsitzung eine Flasche Wein mit, die er dem Hausherrn überreichte. Während des Abends rühmte sich Bock seiner hervorragenden Weinkenntnisse; er könne jeden guten Wein an seinem Geschmack erkennen. Worauf Becher eine Flasche aus seinem Weinkeller holte, das Etikett entfernte, und Bock aufforderte, diesen Wein zu identifizieren.

Bock: "Den kann ich leider nicht identifizieren. Das ist ein ganz mieser Fusel. Was soll denn das sein?"

Becher: "Das ist die Flasche, die Sie mir vorhin mitgebracht haben."

Nachtrag: Nachdem Hermann Becher 1981 gestorben war, gab es in Münster eine Trauerfeier. Weil Dehnicke und Becher sich gut kannten und beide zur gleichen Zeit Dozenten in Stuttgart gewesen waren, hielt Dehnicke die Trauerrede. Um Becher zu charakterisieren, erzählte er die Geschichte vom guten Wein, ohne Namen zu nennen. Beim hinausgehen wurde deshalb er von der anwesenden Frau Bock heftig kritisiert.

Die Geschichte vom Tantalpentachlorid

Kurt Dehnicke und Eberhard Hoyer kannten sich aus Studienzeiten in Leipzig. Dehnicke war in den Westen geflüchtet und wurde Professor in Marburg. Hoyer war linientreues SED-Parteimitglied und wurde Professor in Leipzig. 1988 durfte Hoyer zu einem Forschungsaufenthalt in den Westen reisen. Er verbrachte eine Woche in Marburg.

Zu Beginn seines Aufenthalts hatte er eine Bitte an Dehnicke: "Wir können in der DDR kein Tantal bekommen. Ich benötige aber etwas Tantalpentachlorid. Kannst du mir das besorgen?"

Dehnicke: "Kein Problem. Tantal haben wir da, ich lass jemanden das Chlorid präparieren."

Am letzten Tag seines Aufenthalts fragte Hoyer nach. Obwohl das TaCl5 längst fertig war, hielt Dehnicke ihn hin: "Ich bring es dir heute abend mit, es muss noch sublimiert werden."

Am Abend dieses letzten Tags fand ein gemeinsames Abendessen mit den Kollegen im Restaurant Bückingsgarten statt. Nach dem Essen fragte Hoyer noch einmal: "Hast du an das Tantalpentachlorid gedacht?"

Dehnicke griff sich an den Kopf. "Ou, das tut mir jetzt aber leid. Das habe ich völlig verschwitzt. Was machen wir denn jetzt? .... Du, ich habe eine Idee. Herr Ober: Der Herr hätte gerne eine Portion Tantalpentachlorid." Ober: "Kein Problem. Es dauert aber ein wenig." Hoyer echauffiert sich: "Das glaub' ich jetzt nicht. Ich habe zwar mitbekommen, dass man bei euch im Westen alles bekommenn kann, aber das kann nicht sein!"

Ober kommt nach einer Viertelstunde mit einem Teller, darauf eine Ampulle: "Einmal Tantalpentachlorid für den Herrn."

Mit Dank an Prof. Kraus, Marburg, für die Vermittlung.

51. Klartext in der NZZ

Über die Gründe der begrenzten Begeisterung Jugendlicher für MINT-Fächer:

"Kein Wunder: Solange Nichtskönnerinnen und Nichtskönner aus TV-Castings permanent im Rampenlicht der Medien stehen oder Manager ohne besondere Talente Topgehälter verdienen, während Forscher und Ingenieure in Labors und an Computern als nützliche Idioten ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Mauerblümchendasein fristen, gibt es auch für begabte Knaben und Mädchen wenig Anreiz, sich für Naturwissenschaften zu begeistern."

Mathias Binswanger in der Neuen Zürcher Zeitung vom 15.2.2017 (https://www.nzz.ch/meinung/pisa-und-naturwissenschaften-niedrige-loehne-und-geringes-sozialprestige-ld.145548)

52. Ungekünstelte Publikationstitel

Hier sollen in Zukunft kurzgefasste, "no-nonsense" Titel von Publikationen gesammelt werden.

• H. Weil, E. Sapper, E. Krämer, K. Klöter, H. Selberg, “Über Diamino-triphenylmethan und Ähnliches,” Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1928, 61, 1294–1307; doi:10.1002/cber.19280610619.

• A. W. Hofmann, "Beobachtungen vermischten Inhalts", Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1870, 3, 761; doi:10.1002/cber.18700030228 (mit Dank an F. Richter für den Hinweis).

Auch der vorangehende Artikel (S. 755) hatte mit "Fragmentarische Untersuchungen aus dem Berliner Universitätslaboratorium" einen Titel, der auf Resteverwertung hinweist. Als Grund gibt Hofmann einleitend den Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges an. Der Zeitgeist spricht aus seinen Worten:

"Die chemische Gesellschaft hält heute ihre letzte Sitzung vor dem Anfange der Ferien, aber auch vor dem Ausbruche des fluchwürdigen Krieges, welchen uns frevelnder Uebermuth aufgezwungen hat. Angesichts der grossen Opfer, welche die Abwehr des Feindes dem Vaterlande auflegt, wer wollte es leugnen, dass die Erfolge auf dem Gebiete der Wissenschaft, welche sonst unser ungetheiltes Interesse in Anspruch nehmen, bereits einen grossen Theil ihrer Anziehungskraft verloren haben? Das Gefühl, dem wir uns in der heutigen Sitzung nicht verschliessen können, hat sich in allen Kreisen wissenschaftlicher Thätigkeit geltend gemacht; die Reihen der Zuhörer in den Vorlesungen lichten sich mit jedem Tage, die Laboratorien sind verödet. Ein grosser Theil der academischen Jugend steht bereits unter den Waffen oder ist in anderer Weise für die Vertheidigung des Vaterlandes thätig, und selbst diejenigen, welchen bis jetzt die directe Betheiligung an diesem Dienste versagt ist, haben nicht mehr die Ruhe und Freiheit des Geistes, welche die erspriesslicbe Pflege der Wissenschaft verlangt.

So sind denn auch in dem hiesigen Universitäts-Laboratorium die Arbeiten nachgerade zu vollständigem Stillstande gekommen, und eine Reihe kleiner Untersuchungen, welche der Friede mit dem Schlusse des Semesters zur Reife gebracht haben würde, sind in dieser drangvollen Zeit unterbrochen worden." 

 

Anmerkung: Das Unterfangen der Sammlung solcher Titel ist wohl nicht sinnvoll, denn in der älteren Literatur waren die Titel oft sehr kurz gefasst. So findet man z. B. in dem Band 1 der Chemischen Berichte aus dem Jahr 1875 oft Titel aus zwei Worten:

• "Ueber Monoäthylendinaphtyldiamin", "Ein Gährungsversuch", "Ueber Sodafabrikation",  "Ueber Mesitol", "Ueber Chlornitroanilin" etc.

Oder mit 3 Worten:

• "Notiz über Mesitol", "Derivate von Diaminen", "Ueber das Indol" etc. 

Die zunehmende Spezialisierung und Zahl an Publikationen bewirkt wohl, dass Titel zunehmend länger werden (müssen), um das Thema der Arbeit einigermassen abzubilden.

53. Das wird wohl nichts mehr (in diesem Leben)

Eine Totalsynthese des Alkaloids (±)-Germin ist noch nicht bekannt. Die Synthese des homologen (±)-4-Methylengermin wurde 2017 beschrieben, wobei sich die Frage stellt, ob die zusätzliche CH2-Gruppe entfernt werden könnte, um zum eigentlichen Germin zu gelangen.

In einer Fußnote erklärt der Korrespondenzautor Gilbert Stork das Unwahrscheinliche eines solchen Vorhabens: "At this point, we realized that we did not have enough material (a few milligrams) to go through the several steps for this conversion. One would have to restart the whole synthesis. But I (G.S.) am now 95 years old..."

Die Arbeit wurde am 6. September 2017 veröffentlicht, am 21. Oktober 2017 verstarb Gilbert Stork. Das Germin-Projekt war über 40 Jahre hinweg mit insgesamt 16 Mitarbeitern verfolgt worden.

• G. Stork et al, Org. Lett. 2017, 19, 5150; DOI: 10.1021/acs.orglett.7b02434

 

54. Stoffe, mit denen wir nicht arbeiten: Dichloracetylen

...in Anlehnung an Derek Lowes Blog "In the Pipeline", der eine Kategorie "Things I Won't Work With" enthält. 

Für eine Synthese erwogen E. Engelage und J. Holthoff aus der Huber-Gruppe in Bochum die Verwendung von Dichloracetylen. Jedoch: "Nach ausgiebiger Literaturrecherche haben wir uns zunächst dagegen entschieden und nicht zuletzt auf Grund des "lauten Knatterns" und der Freisetzung von Phosgen im Labor."

Die Originalarbeit von Ott, Ottemeyer und Packendorff erwähnt: 

• "Die damals ... ausgeführten Darstellungen führten infolge von lokalen Überhitzungen mehrfach zu heftigen Explosionen, die zu einer vorlaufigen Zurückstellung der weiteren Untersuchung zwangen, nachdem der Siedepunkt 31° und das Verhalten des Dichlor-acetylens bei der Autoxydation ermittelt worden waren."

• "Öffnet man ein Gefäß, das mit dem Dampf des Dichlor-acetylens gefüllt ist, so erfolgt eine sehr heftige Explosion, indem der durch die Verbrennung an einer Stelle eingeleitete Zerfall sich wie durch Initialzündung fortpflanzt."

• "Daß der explosive Zerfall der endothermen Verbindung auch durch ganz geringfügige Überhitzungen des Dampfes über die zur Bildung optimale Temperatur von 130° eingeleitet werden kann, wurde bereits erwähnt."

• "Dagegen reagieren Lösungen in Tetrachlor-äthan beim Einleiten von Luft oder Sauerstoff augenblicklich unter Nebelbildung, wobei man bei jeder Gasblase ein Knattern vernimmt, wie wenn Wasser in erhitztes Fett eintropft."

Mit der Oxidation an Luft ist die Gefahr noch nicht gebannt, denn es bilden sich giftige Gase:

• "Die Autoxydation führt zu den Hauptprodukten Phosgen, Kohlenmonoxyd und Kohlendioxyd."

Wir wollen aber auch nicht übertreiben und folgendes nicht verschweigen:

• "Lösungen in Äther sind daher völlig gefahrlos und zum Studium vieler Reaktionen bequem."

Also, ran an den Stoff!

E. Ott, W. Ottemeyer, K. Packendorff, “Über das Dichlor-acetylen,” Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 193063, 1941–1944.

[Mit Dank an die genannten Einsender]

55. Verallgemeinerungen - die kaum motivieren

Zwei Aussagen über den Zustand der modernen Wissenschaft(ler), gefunden in einem Buch:

"A safe generalization is that many of the scientists and much of what they publish today are me­diocre at best."

"Jonathan and Stephen Cole, sociologists who in 1972 published a trenchant analysis of scientific productivity entitled ''The Ortega Hypothesis," have concluded that only a few scien­tists contribute to scientific progress. The majority publish work that has little or even zero impact on the forward march of knowledge."

William Broad, Nicholas Wade; Betrayers of the Truth, Fraud and Deceit in the Halls of Science, Simon and Schuster, 1983. 

56. Es wird Ihnen gefallen

Im Jahr 1870 will A. Kekulé den noch in Berlin tätigen Otto Wallach als Privatassistenten abwerben. Dieser ist noch in einer Anstellung und zögert mit der Entscheidung. Kekulé schreibt ihm daraufhin einen längeren Brief (18.4.1870) und schliesst wie folgt:

"Sollten Sie sich dazu entschliessen, hierher zu kommen, so bin ich sicher, es wird Ihnen hier gefallen. Fern vom Getriebe der Stadt leben wir ein wissenschaftliches Künstlerleben auf dem Lande. Wir finden, dass nach getaner Arbeit sich in schöner Gegend gut spazierengeht, und dass man nach gemachtem Spaziergang gut arbeitet."

Ausschlaggebend für den Umzug nach Bonn dürfte neben den Aussichten auf Spaziergänge vor allem Kekulés Renommee als theoretischer Chemiker gewesen sein.

G. Beer, H. Remane (Hrsg.), "Otto Wallach 1847-1931 - Chemiker und Nobelpreisträger - Lebenserinnerungen", Berlin 2000.

57. Quecksilberfreie Lampen aus China

... Doch einen Stand weiter präsentiert die chinesische Firma Megaman bereits quecksilberfreie Energiesparlampen. "Wir haben das Quecksilber durch Amalgam ersetzt", erklärt David Fan. "Die Birnen sind genauso hell."

TAZ (taz.de) vom 19.2.2009 - "Quecksilber Verboten".  (Hinweis für Journalisten/nicht-Spezialisten: Amalgame sind Quecksilberlegierungen und daher nicht quecksilberfrei).

58. Akronym: Der POOP-Ligand...

Aus der Kategorie "I see what you did there..." kommt dieses Ligandakronym:

"To a gold(I) solution prepared as above is added a solution of the ligand Ph2P(CH2)2O(CH2)2O(CH2)2PPh2 (poop, 0.245 g. 1.0 mole) dissolved in ethanol (10 mL). An immediate white precipitate of the complex [ClAu(poop)AuCl] is formed".

("A General Synthesis for Gold(I) Complexes

", A. K. Al‐Sa'Ady C. A. Mcauliffe R. V. Parish J. A. Sandbank R. A. Potts W. F. Schneider, Inorganic Syntheses 1985, 23, 191;  doi.org/10.1002/9780470132548.ch39)

59. Das kann ins Auge gehn

Der Titel ist eigentlich nicht angebracht, da die Umstände nicht gerade lustig sind: Bei der Arbeit mit β-chlorierten cyclischen Sulfiden traten schwerste Augenschäden bei einer Laborantin auf. Erstaunlich, dass der enge Zusammenhang der bearbeiteten Substanzen (1) mit dem bekannten Giftgas "Lost" (2) des ersten Weltkriegs – angeblich – erst Jahre nach dem Vorfall aufgefallen ist.

Drux, R. (1994). Chlorierte Tetrahydrothiophene - gefährliche Hautgifte. Journal für Praktische Chemie/Chemiker-Zeitung, 336(1), 89–90. doi:10.1002/prac.19943360121

60. Fred Sangers "heissen" Schuhe

Im Labor des zweifachen Nobelpreisträgers Fred Sanger wurde mit radioaktiven, 32P markierten Nucleotiden gearbeitet. Mit den Sicherheitsvorschriften nahm man es damals nicht immer so genau.

Ein Besucher wurde instruiert: „Dies ist der "heiße" Raum. Keine Bange, fassen Sie einfach nichts an. Eigentlich bin ich ja der Strahlenschutzbeauftragte, und Sie tragen noch nicht mal ein Dosimeter...".

[“This is the hot room. You’ll be alright. Don’t touch anything. I’m supposed to be the radiation officer, and you’re not even wearing a badge.”]

Genauso wenig trug Sanger selbst ein Dosimeter, während er sodann die Elution einer radioaktiven Fraktion mit einem Geigerzähler verfolgte, der derart heftige Geräusche von sich gab, dass dem Journalisten unwohl wurde.

Sangers Mitarbeiter Bart Barrell erzählte, dass einmal ein Paar von Sangers Schuhen durch Kontamination "zu heiss" geworden waren. Sanger lagerte die Schuhe in einer unteren Schreibtischschublade ein und wartete einfach einige Halbwertszeiten des radioaktiven Zerfalls ab (14 Tage für 32P), bevor er sie wieder anzog. 

J. S. Jeffers, Frederick Sanger, SpringerBriefs in History of Chemistry, 2017 p. 4

61. Aaron Ihde als Didaktiker: Tod einer Fliege

Der Chemiehistoriker Aaron Ihde folgte einer spontanen Eingebung, um die Wirkung von DDT auf Tiere im Rahmen einer Vorlesung zu veranschaulichen: 

"Der Hörsaal im Chemiegebäude verfügte über einen Experimentiertisch. Ihde sagte: "Angenommen, ich sei eine Fliege, die soeben eine tödlich Dosis DDT erhalten hat...". Dann stellte er sich auf allen Vieren auf den Tisch und erläuterte – indem er das Gesagte vorspielte – die nun folgenden Ereignisse im Leben (beziehungsweise Sterben) der Fliege. Es genügt festzuhalten, dass die Demonstration damit endete, dass Professor Ihde flach auf dem Rücken lag, die Glieder starr von sich gestreckt, tot wie ein Sargnagel. Der Hörsaal erbebte im Applaus. Ihdes "tote Fliege" wurde legendär an der University of Wisconsin, und er musste die Demonstration in allen darauf folgenden Jahren auf Wunsch des Publikums wiederholen.

James J. Bohning, AARON IHDE: A LIFE FROM BASCOM’S HILLBull. Hist. Chem. 2001, 26, Nr. 1, p. 3ff.

[“In one of his lectures during that first semester of the “new PU,” he wanted to describe the physiological effects of DDT on animal life, and had the sudden inspiration to act it out. The lecture hall, being in the chemistry building, had a large demonstration table in front. Ihde said, “Let us suppose that I represent a fly that has just been subjected to a lethal dose of DDT.” He then crawled onto the table on all fours and began to narrate (while graphically illustrating) the next events in the life (or rather death) of that fly. Suffice it to say that the demonstration ended with Professor Ihde flat on his back, limbs stiffly raised, dead as a doornail. The room erupted in applause. Ihde’s “dying fly” immediately became legendary at the University of Wisconsin, and he was obliged by popular demand to repeat his performance every year thereafter.]

62. Konsequenzen eines Laborunfalls - Danach erkannte ihn keiner

Ein kleiner Laborbrand - damals wohl ganz gewöhnlich - hatte 1973 unerwartete Konsequenzen für einen Masteranden an der Victoria University of Wellington (NZ): 

"Die Flammen setzte seinen großen "Afro" in Brand ... er erlitt aber keine anderen merklichen Verbrennungen. ... Die Notwendigkeit, verbranntes Haar zu entfernen verlangte nach einem Haarschnitt, und als Dennis danach das Institut betrat, erkannte ihn keiner." 

Brian Halton, Chemistry at Victoria – The Wellington University A personalized account of the hundred years from 1899, 3d ed., 2018.

63. Das Cyankalium als Arzneimittel - traurigste Zufälle

Ja, in der Tat, das Cyankalium (Kaliumcyanid, Cyankali) ist seit einigen Jahren als "wahres Specificum gegen Nevralgie betrachtet worden", wie Félix Boudet in den Annalen der Pharmacie 1835, 13, 235ff schreibt. (Nevralgie = Neuralgie, Nevernschmerzen).

Problematisch ist, dass die Wirksamkeit des Mittels durch diverse Zersetzungen verringert wird. Man weiss dann nie genau, wieviel aktive Substanz im Präparat ist, und wenn man mal eine gute Qualität erwischt, dann...

64. Älteren Tramführern war er wohlbekannt

"Karrer hat, obwohl überaus wohlhabend und in finanziellen Dingen sehr erfahren, sparsam und in persönlicher Hinsicht recht anspruchslos gelebt. Er besaß zwar ein prachtvolles Heim am Zürichberg mit großem Garten, in welchem er selbst viel arbeitete, kaufte aber nie ein Auto oder ein Ferienhaus. Für die täglichen Fahrten ins Institut benutzte er stets die öffentlichen Verkehrsmittel. Älteren Tramführern war er wohlbekannt, und ich habe mehrere Male beobachtet, daß sie ihre Fahrt verlangsamten, um ihm, dem Verspäteten, beim Vorbeifahren vor dem Institut das Aufspringen zu erleichtern."

C. H. Eugster, Paul Karrer (1889–1971), Chemie in unserer Zeit 1972, 6

, 147; doi.org/10.1002/ciuz.19720060503

65. "The experimenter proceeded with the rest of the experiment."

 

Jonathan M Kliegman, Robert K Barnes, "Novel Diimine Compounds", US Patent US3652672A, 1972.

[Mögliche Anwendungen gemäss den Autoren: "The compounds of the invention have utility for riot control purposes and for personal protection against assault."]

66. Eine Party russischer Artisten nimmt eine bedrohliche Wendung...

Zugetragen haben sich die Ereignisse in der Nacht vom Mittwoch, 6. zum Donnerstag, 7. Oktober 1926  in Tallinn (Estland, damals unabhängig) am Abend, nachdem eine Gruppe dreier Vortragskünstler ("Sänger und Humoristen") in einem Kino die Arbeit beendet hatte. 

Beteiligt waren die Sängerin L. K., 36 Jahre, der Vortragskünstler K. R., 34 Jahre, der Sänger W. R. (auch W. W. genannt), 49 Jahre, und der Kaufmann O. S., 28 Jahre alt. 

Nach dem Ende der Vorstellung trifft sich die Artistengruppe mit dem Kaufmann aus einer benachbarten Stadt ("der schon eine Dosis Alkohol genossen hatte") zum Umtrunk in "verschiedenen Lokalen".

Und so nimmt das Verhängnis seinen Lauf...

Die drei anderen Patienten wurden geheilt entlassen. Und so hat dieses unangenehme Erlebnis doch immerhin der Wissenschaft interessantes Anschauungsmaterial gebracht!

G. Roocks (Referat: Taeger), “Tödliche Physostigmin-Vergiftung”, Sammlung von Vergiftungsfällen 19356, 243–244.

G. Rooks, “Ein Fall von tödlicher Physostigminvergiftung”, Deutsche Zeitschrift für die Gesamte Gerichtliche Medizin 1927, 10, 479–481.

A. Gernhardt, “Zur Kasuistik der Physostigminvergiftung”Klinische Wochenschrift 1927, 6, 1433–1434.

 

Erläuterung

In dem obigen und dem noch folgenden Fall lag jeweils eine folgenschwere Verwechslung zweier medizinisch verwendeter Wirkstoffe vor, nämlich des Physostigmins mit dem Cocain!

Physostigmin ist der hoch giftige Inhaltstoff der sogenannten "Kalabarbohne", die im Königreich Calabar (heute Teil von Nigeria) für Gottesurteile verwendet wurde. Die Verdächtigen mussten die Bohne essen, worauf sie entweder starben (= Beweis der Schuld) oder überlebten, nachdem sie sich übergeben mussten (= unschuldig). Wenn jemand "lediglich Durchfall bekam" und überlebte, wurde die Person als Sklave verkauft. Sklavenhandel war für die Bewohner von Calabar im 17. Jhdt wichtige Einkommensquelle, und Calabar der größte Sklavenhandelsplatz in Afrika, wobei der Handel durch Einheimische kontrolliert war.

Physostigmin ist ein Cholinergikum, das heute noch als Gegenmittel bei Vergiftungen mit Atropin/Hyoscyamin (Tollkirsche, Engelstrompete) in der Notfallmedizin verwendet wird.  In der Augenheilkunde dient es als Miotikum zur Pupillenverengung.

Cocain ist natürlich meist eine aufputschende Droge mit lokalanästhetischen Eigenschaften, die nur selten noch medizinisch verwendet wird. 

Beide Substanzen wurden zu Beginn des 20. Jhdts medizinsch verwendet und von Herstellern wie Hofmann La Roche oder Merck verkauft. Man kann annehmen, dass medizinische Cocain-Präparate teils durch wenig fachkundige Diebe aus Apotheken entwendet wurden, wobei die ähnliche Form der Flaschen zu Verwechslungen führen konnte.

67. Auch auf Sardinien schlägt der Killer zu...

Nicht minder unangenehm erging es in der Stadt Sassari auf Sardinien (Italien) dem 61-jährigen A. M. und seiner 32-jährigen Begleiterin C. D., die sich aus nicht näher genannten Gründen am Freitag, den 27. Januar 1928 zusammen in eine Wohnung begaben. Erst am Nachmittag des Folgetages fand man sie in misslicher Lage auf:

 

E. E. Franco (Referat: C. Bachem), “Physostigmin-Vergiftungen,” Sammlung von Vergiftungsfällen 19312, 185–186.

 

68. Bierschnecken

Dr. Georg Rosenfeld, "Der Einfluss des Alkohols auf den Organismus", Wiesbaden, 1901.

69. Woher der Studio Pfunde ansetzt

Dr. Georg Rosenfeld, "Der Einfluss des Alkohols auf den Organismus", Wiesbaden, 1901.

70. "Keine Belästigung gespürt"

Unter dem Titel "Ueber Thiodiglykolverbindungen" berichtet Victor Meyer im Jahr 1886 über die Synthese von S-Lost ("Senfgas") und schreibt:

Es ist höchst auffallend, dass diese anscheinend so harmlose Substanz, welche wenig flüchtig, in Wasser fast unlöeslich, von sehr schwachem Geruche und ganz neutraler Reaction ist und welche auch nach ihrer chemischen Constitution keineswegs aggressive Eigenschaften erwarten lässt , eine specifisch toxische Wirkung ausübt. Gegen diese scheinen verschiedene Personen sehr verschieden empfindlich zu sein. Ich selbst habe beim andauernden Arbeiten mit dem Körper, ohne dass ich irgend welche Vorsicht anwandte, keine Belästigung verspürt. Dagegen zeigten sich bei einem Praktikanten, welcher die Verbindung darstellte, starke Hautausschläge und eine bald vorübergehende Augenentzündung.

Der geneigte Leser kann diese Beschreibung mit der weiter oben für ein ähnliches β-Chloralkylsulfid vergleichen, sowie mit Winsteins Anmerkung "There is no a priori reason to believe that these particular compounds are more dangerous to man than several related substances widely used as industrial chemicals...", die sich wie ein Echo der Meyer'schen Beobachtung anhören! 

Die Giftigkeit des Senfgases wie auch der anderen erwähnten Moleküle beruht jeweils auf einem Nachbargruppeneffekt, der aus dem jeweiligen Halogenalkan ein ungewöhnlich starkes Alkylierungsmittel macht. Beim Senfgas ist es der Nachbargruppen-Effekt des Schwefels in der Kohlenstoffkette, durch den die erhöhte (unerwartete) Reaktivität zustande kommt (Bild unten). 

[Mit Dank an Prof. Florian Kraus für die Übermittlung]

71. Tiny explosions accompanied by blue lightning phenomena

Wessel Larsen und Pedersen beschreiben ein Experiment, bei dem man auch gerne dabei gewesen wäre:

N. W. Larsen and T. Pedersen, “Microwave Spectroscopy of Isotopic Cyclobutene Ozonide as a Means of Quantification of Ozone Isotopomers,” Journal of Molecular Spectroscopy, vol. 166, no. 2, pp. 372–382, Aug. 1994, doi: 10.1006/jmsp.1994.1202.

72. Selbst auf die Gefahr hin, altmodisch zu wirken...

K. Ziegler and K. Hafner, “Eine rationelle Synthese des Azulens,” Angewandte Chemie, vol. 67, no. 11, pp. 301–301, Jun. 1955, doi: 10.1002/ange.19550671103.

73. Erfahrungen mit dem Frankensteinschen Quecksilber-Inhalierverfahren (an dem Material unseres Krankenhauses)

Dr. G. Stümpke, Erfahrungen mit dem Frankensteinschen Quecksilber-Inhalierverfahren. Dtsch Med Wochenschr 1915, 41(21), 616-618; DOI: 10.1055/s-0029-1191149

74. Eine Metall-Diät? Palladium-katalysiertes Abnehmen!

Schon 1913 war Übergewicht und das Bedürfnis abzunehmen verbreitet. Platinmetalle hatten sich als oxidierende Katalysatoren bewährt, was liegt da näher als fein zerteiltes Palladium ins Fettgewebe einzuspritzen, um den Fettabbau zu unterstützen?

Was heute umständliche Genehmigungsverfahren erfordern würde, konnte man damals – "selbst ist der Mann" – kurzerhand am Objekt erforschen: 

Auch Studenten liessen sich leicht als Probanden gewinnen

Die schwarz-blauen Flecken sind freilich unerwünscht, können zum Glück durch eine Anpassung verhindert werden, jedoch gilt wie so oft: Schönheit muss leiden!

Es gibt aber durchaus positive Nebenaspekte der Behandlung:

Auch gut zu wissen, wo das ganze erhältlich ist: 

Manche Dinge bleiben sich über ein Jahrhundert dennoch gleich:

Dr. med. et phil. M. Kauffmann in Halle. Über ein neues Entfettungsmittel: kolloidales Palladium-hydroxydul ("Leptynol"). Münchener Medizinische Wochenschrift 1913, No. 10, 11. März, 525-527.

75. Waffenfähiger Klebstoff

Bei aktuellen Fällen wo sich Aktivisten an Strassen festkleben um den Verkehr zu blockieren wird Klebstoff in gewissem Sinne als Waffe verwendet, aber ganz anders als man sich das in einem Patent von 1929 vorgestellt hat:  

Auch wenn sich das Patent vordergründig mit Schädlingsbekämpfung befasst, zeigen der gewählte Text und die Beispiele, dass der Einsatz von Klebstoffregen in viele Richtungen hin gedacht wurde. Der Einsatz, um sich persönlich aus Protest irgendwo festzukleben scheint 1925 jedoch nicht antizipiert worden zu sein...

Chemische Fabrik Dr. Hugo Stoltzenberg in Hamburg, Verfahren zur Vertilgung von Pflanzen- und Tierschädlingen und zur Erzielung ähnlicher Wirkungen, Deutsches Reichspatent 482'889 vom 21.9.1929, patentiert vom 6.10.1925 ab. 

[Gefunden via H.-H. Vogt, "Das lachende Labor", Aulis Verlag Deubner, Köln, 1975.]

76. Hauptsache gefreut!

Manche Forschungsidee kann in die Irre führen. Die Erkenntnis, dass man falsch liegt ist frustrierend, gerade wenn die Idee hinter dem Projekt "zu schön" war. 

Guter Rat kann jedoch helfen solche Situationen gelassen zu nehmen, wie ein Kollege zu berichten weiss: